»Faire Werte finden beim Aktienkauf!«

GASTKOMMENTAR | Gastkommentator Uwe Lang, bekannt als Börsenpfarrer, berechnet gerne Durchschnittswerte und hat exklusiv für unsere Leser mal ein wenig herumgerechnet.

Von Uwe Lang, Börsensignale

uwe-lang-boersensignale Die heftigen Schwankungen des Aktienmarktes in den vergangenen Jahrzehnten lassen immer die Frage nach objektiven Kriterien für den Wert einzelner Aktien aufkommen. Wann und wo kann man zugreifen? Wann liegt bereits eine Übertreibung vor?

Diese Frage lässt sich nicht trennen von der nach dem Gesamtmarkt. Ein Anleger sollte sich immer zuerst überlegen, ob dieser weltweit schon über- oder noch unterbewertet ist. Momentan ist der Weltindex gegenüber seinem fairen Wert um zwölf Prozent unterbewertet. Das lässt sich errechnen aus einem 20-Jahres-Durchschnitt, wobei dieser noch mit dem Berichtigungsfaktor 1,535 multipliziert werden muss, weil dies der durchschnittlichen Höherbewertung des aktuellen Kurses zum 20-Jahres-Durchschnitt entspricht.



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Mit dieser Erkenntnis ist aber für den Anleger nicht viel gewonnen, denn der aktuelle Börsenwert eines Index kann sich mehr als ein Jahrzehnt über oder unter seinem fairen Wert bewegen. Von 1974 bis 1983 lag er darunter, von 1984 bis 2001 darüber, und seither mit Ausnahme des Jahres 2007 wieder darunter.

Ist aber nun wenigstens geklärt, dass der Markt insgesamt nicht überbewertet ist, dann ist die Aktienauswahl umso spannender. Die richtige Auswahl ist deshalb so schwierig, weil das, was für eine Aktie spricht, normalerweise im jetzigen Kurs schon enthalten ist. Die Börse kennt die geschätzten Gewinne, Dividenden und alle weiteren veröffentlichten Unternehmensnachrichten, und sie kennt die Umsätze, Buchwerte und Wachstumsaussichten. Was die künftigen Kurse beeinflusst, sind also neue Fakten, die nur einem Insiderkreis bekannt sind.

Hier setzt das Prinzip der Relativen Stärke an, dem alle anderen Fakten untergeordnet werden müssen. Dieses Prinzip geht davon aus, dass an der Relativen Stärke Insiderkäufe einen großen Anteil an der Kursbewegung haben. Relative Stärke wird am einfachsten gemessen durch eine Rangliste von Aktien, bei denen der aktuelle Kurs durch den gleitenden 15-Monats-Durchschnitt geteilt wird. Beobachten wir also beispielsweise 1.000 Aktien aus aller Welt, dann kommen nur zwei Siebtel von ihnen, also in diesem Fall 285, in die engere Auswahl, weil sie relativ stark sind.


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Aber welche von denen soll man dann nehmen, wenn wir zum Beispiel nur zehn kaufen wollen? Einfach die relativ stärksten von den 285? Oder die mit der höchsten Dividendenrendite? Oder die mit dem niedigsten Kurs-Gewinn-Verhältnis oder Kurs-Umsatz-Verhältnis oder Kurs-Buchwert-Verhältnis? Oder gar die mit null Dividende oder null Gewinnen? Denn die größten Kursgewinne macht man ja bekanntlich mit ursprünglichen Verlust-Aktien, die dabei sind, die Gewinnzone wieder zu erreichen!

Oder nimmt man von den 285 einfach die Großkonzerne, die den höchsten Börsenwert haben? Denn die sind ja am besten ausanalysiert und vor negativen Überraschungen am meisten gefeit?

Nun, ich habe all diese Varianten vergangene Woche mal für sieben verschiedene Jahre (2006, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014) durchgetestet. Jeweils Ende September wurden in diesen Jahren je zehn Aktien fiktiv gekauft und nach sechs Monaten das Ergebnis festgestellt.

Wie schnitten die Verfahren im Durchschnitt ab? Hier die durchschnittlichen Kursgewinne aller sieben Tests:

1. Aktien mit null Gewinn +29,80 %
2. Aktien mit null Dividende +28,99 %
3. Einfach die relativ stärksten Aktien +23,49 %
4. Aktien mit niedrigstem KUV +22,91 %
5. Aktien mit niedrigstem KBV +18,99 %
6. Aktien mit bester Dividendenrendite +18,19 %
7. Aktien mit niedrigstem KGV +15,31 %
8. Aktien der größten Konzerne + 9,50 %

Die letzte Methode war die eindeutig schlechteste, obwohl gerade sie von vielen Anfängern bevorzugt wird, die gerne die ganz großen bekannten Konzerne kaufen. Das Ergebnis war sogar schlechter als das des EuroStoxx50 (+11,04 Prozent) und des Weltindex (+11,02 Prozent).

Alle anderen Methoden aber waren sehr gut und haben dank der Vorauswahl Relative Stärke deutlich besser abgeschnitten als die Indizes. Das überraschende Gesamtergebnis lautet jedenfalls, dass die Turn-around-Aktien, die vor einer Rückkehr in die Gewinnzone stehen, von den Anlegern in ihrem fairen Wert meist unterschätzt werden, aber offenbar das beste Kurspotenzial bieten. Bedingung: Hohe Relative Stärke!

Aber man sollte nicht vergessen, dass es sich um Durchschnittsergebnisse handelt! Denn die Methoden 1 bis 3 erwiesen sich auch nicht immer für jede Aktie als Volltreffer. Sie waren deutlich riskanter als die soliden Methoden, die die Dividende, das Kurs-Umsatz oder das Kurs-Buchwert-Verhältnis berücksichtigen. 

Uwe Lang ist als Börsenpfarrer bekannt geworden, nachdem er den Börsencrash 1987 voraussagte. Der evangelische Pfarrer im Ruhestand gibt den Börsenbrief Börsensignale heraus und hat zahlreiche Finanzbücher veröffentlicht. Lang ist auch Urheber unserer Börsenampel.


die-sparer-fibel-cover BUCHTIPP Das aktuellste Buch von Uwe Lang (mit Klaus Haidorfer und Martin Blaschke) heißt Die Sparer-Fibel − Alle Tipps und Tricks, um Geld richtig anzulegen und ist 2014 erschienen (ISBN: 978-3898798730). Eine Video-Rezension von boersianer.info-Chefredakteur Ulrich W. Hanke dazu finden Sie unter https://boersianer.info/die-sparer-fibel/. Hanke: »Der Titel des Buches ist etwas irreführend, rät Lang darin doch auf den ersten 100 Seiten von anderen Anlageklassen als der Aktie ab. Unter dem Strich ist Geld nämlich nur richtig mit Aktien angelegt.«


Foto: Börsensignale, FBV

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