Aufregung umsonst: Bargeld wird uns alle überleben!

HANKES MEINUNG

HANKES MEINUNG | Wo an den Börsen gerade das Abwarten bis zur Brexit-Abstimmung am 23. Juni als die bessere Strategie erscheint, greife ich mal ein anderes (Nicht-Aktien-)Thema auf. Das Thema Bargeldabschaffung. Das Thema polarisiert.

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Börsenstratege Ulrich W. Hanke
Vorab: Ich bin definitiv kein Gegner der Bargeldabschaffung und irgendwie auch kein hundertprozentiger Befürworter. Mich nervt vor allem das Fass, welches hier aufgemacht wird und welches doch eigentlich leer ist. Abschaffungsgegner verdienen gut mit Büchern zum Thema und Einladungen in Talkshows. Ihre Argumente und insbesondere ihre Schlussfolgerungen sind aber oft an den Haaren herbeigezogen und erinnern mich irgendwie an die Leugnung der Mondlandung. Sie setzen aber bei den Ängsten der Deutschen an, die ihr Bargeld lieben, wie keine andere Nation.

Fakt ist: Niemand will das Bargeld komplett abschaffen! Damit ist eigentlich schon alles gesagt.

Doch weiter, um mit dem Irrglauben aufzuräumen: Meiner Meinung nach wird es auf absehbare Zeit nicht zur kompletten Abschaffung von Bargeld kommen – vor allem nicht in den nächsten Jahren. Wir reden hier, wenn überhaupt, eher von einem Zeitraum von Dekaden. Und damit lässt sich vermutlich auch schon die zweite Befürchtung der Bargeldliebhaber entkräften.

Fakt ist: Eine mögliche, zukünftige aber eher unwahrscheinliche Bargeldabschaffung hat nichts mit den aktuellen Negativzinsen zu tun. Stellen Sie sich nur einmal vor, im Jahr 2040 liegen die Leitzinsen einer Welt-Notenbank bei vier Prozent. Niemand käme mehr auf die Idee, Bargeld würde 2040 abgeschafft, damit die Zentralbanker besser Negativzinsen durchsetzen können.

Dann sind da noch die Freiheit, die Überwachung und der Finanzcrash. Ja, glauben die selbsternannten Bargeldretter im Ernst, wenn unser Finanzsystem crashen würde, Sie bekämen bei einem Bankenrun noch Bargeld an einem Geldautomat? (Für eine Antwort auf diese Suggestivfrage braucht man lediglich in der jüngeren Geschichte nach Griechenland schauen.) Oder haben sich die Bargeldretter bereits gestern oder vorgestern mehrere 1.000 Euro unters Kopfkissen gelegt? Wohl eher nicht! Doch dort müsste man es konsequenterweise aufbewahren, wenn man im Ernstfall noch darüber verfügen will. Aber Papier ist und bleibt Papier, eigentlich müsste man in diesem Fall Gold im eigenen Garten vergraben. Ja und jene Goldliebhaber sind, wenn es um ein Bargeldverbot geht, teils sogar Papiergeld-Befürworter. Nur, dass das eigentlich nicht mit ihrer Argumentation von wahren Werten zusammenpasst. So ist dass dann auch mit den Bargeldrettern, die zum Teil öffentlich einräumen, dass es gar nicht zu einer (kompletten) Bargeldabschaffung kommen wird. Prominentestes Beispiel: Max Otte in einem Interview auf seiner eigenes für das Thema initiierten Website. Das nenne ich mal stringent.

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1-Euro-Stück (Foto: Bundesbank)
Doch verlassen wir wieder das Land der Fiktion und kommen zu den Fakten… Die Abschaffung des 500-Euro-Scheins, den insbesondere Kriminelle bestens kennen, ist beschlossen. Das sei nur der Anfang, argumentieren Bargeldliebhaber. Dass der Schein frühestens Ende 2018 aus dem Verkehr gezogen wird, ihn kaum jemand von uns benutzt und er teilweise in Geschäften auch nicht akzeptiert wird, das verschweigen die Bargeldretter sicherheitshalber. Sie argumentieren lieber so: Kriminalität wird es auch weiterhin geben. Stimmt, aber es wird den bösen Buben etwas schwieriger gemacht. Auch, dass in diesem Jahr ein neuer 50-Euro-Schein in Umlauf kommt und später dann noch eine neue 100- und 200-Euro-Banknote, lassen Abschaffungsgegner vorsichtshalber außen vor. Doch warum würde die EZB diese drucken, wenn sie Bargeld abschaffen will? Dagegen kostet die Herstellung von 1-Cent-Münzen und 2-Cent-Münzen je Stück mehr, als diese wert sind. Mein Tipp: Die Kupfermünzen werden als nächstes abgeschafft – und das wäre dann nur sinnvoll und erneut kein wirklicher Beleg für die komplette Abschaffung von Bargeld oder eine Verschwörung.

Das Bundesfinanzministerium könnte sich indes eine Obergrenze für Bargeldzahlungen von 5.000 Euro vorstellen, wie es sie übrigens in anderen Ländern schon gibt. (Hand aufs Herz, wann hatten wir normale Bundesbürger mal 5.000 Euro in bar im Portemonnaie?) Und John Cryan, Chef der Deutschen Bank, hat sich Anfang des Jahres für die Abschaffung des Bargeldes ausgesprochen und diese für in zehn Jahren prognostiziert. Ja, klar, als private Geschäftsbank hätte das Kreditinstitut daran ein Interesse, würde die Abschaffung doch die Kosten der Bank erheblich senken. Cryans Aussage in Davos und der EZB-Beschluss zur Abschaffung des 500-Euro-Scheins sind dann aber auch schon alle handfesten Indizien für ein vermeintliches Bargeldverbot.

Status quo ist: Wir alle zahlen per Überweisung und Lastschriftverfahren, wir alle haben ein Girokonto, wir alle benutzen EC- und Kreditkarten, einige Deutsche Paypal und andere Zahlungsdienste, einige wenige sogar Bitcoins, einige zahlen per Smartphone, andere wiederum via heimischem PC. Dazu machen wir alle eine Steuererklärung und sind auch im Internet etwa bei Amazon, Apple und Google gläsern. Ich würde darüber hinaus tippen, dass jeder Bundesbürger im Schnitt nicht mehr als 50 Euro in bar und mindestens zwei Karten im Portemonnaie hat. Wir schaffen unser geliebtes Bargeld also aus Komfortgründen selbst nach und nach ab. Irgendwann wird uns oder unseren Kindern Bargeld dann auch wie eine Schallplatte, ein Waschbrett oder eine Pferdekutsche vorkommen – veraltet und größtenteils unnötig. Meine Freiheit ohne Bargeld und dem Gang zum Geldautomat ist schon größter geworden – dank moderner Zahlungsmittel. Wenn ich in Zukunft überall per Karte bezahlen könnte, wäre das für mich kein Horrorszenario, sondern eine Wunschvorstellung.

Und das noch zur Ergänzung und weil es mich sehr überrascht hat: Einer Umfrage zufolge schätzen die meisten Bundesbürger an elektronischen Zahlungsmitteln übrigens, dass sie sicherer sind als Bargeld! Von wegen Angst vor Hackern. Kein Wunder, denn wenn Ihnen Bargeld gestohlen wird oder Sie es verlieren, ist es weg. Wenn Ihnen Ihre EC-Karte abhanden kommt, lassen Sie einfach die Karte sperren. Bei Paypal ist als Käuferschutz sogar eine Rückbuchung möglich. Das nenne ich Fortschritt.

Mehr Informationen zum Thema „Pro Bargeldabschaffung“ sammle ich gerade unter: www.boersianer.info/bargeld. Schauen Sie doch einmal bei Gelegenheit rein.

Ihr Ulrich W. Hanke,
Börsenstratege und Herausgeber von www.boersianer.info

Foto: Bundesbank, red

10 Kommentare

    • Für mich nicht nachvollziehbar. Wer möchte schon, dass man ihm bei jedem Kauf über die Schulter schaut? Beim digitalen Bezahlen (Karte, Handy etc.) entstehen Daten, die früher oder später ausgewertet werden. Aus Gründen der informationellen Selbstbestimmung und dem Datenschutz geht nichts über sicheres Bargeld.

  1. Ich stimme dem zu. Bargeld wird es immer geben. Es wird sich aber noch durchsetzen, dass es Geld/Belohnung/chips/Coins/Gutschriften für Arbeit gibt. So verteilt sich die Arbeit zu Arbeit und nicht wie jetzt: Arbeit zu reich. Es wird weiterhin Aktiengesellschaften geben. Es werden weiterhin Kreditkarten verwendet und bargeldlose Zahlung ist verbreitet. Zukunft ist das, was wir jetzt noch nicht wissen können. Lassen wir uns überraschen.

  2. Wie naiv sind Sie denn hier?
    Bei einer Abschaffung des Bargeldes gehört das ganze Geld der Bank.
    Dann entscheidet die Bank, ob Sie noch was bekommen oder nicht.
    Wie viele Kontosperrungen gibt es täglich in Deutschland? Natürlich hat das seinen Grund. Es wäre dann aber auch potentiell möglich, dass man auf Knopfdruck jedem Bürger sein Geld verwehren kann.

    Und wer ist so naiv, dass er sich nicht vorstellen kann, dass es politisch in höchsten Maße verlockend erscheint, auf Knopfdruck alle Bürger komplett mittellos zu machen oder auch nur willkürlich zu „besteuern“??????

    Da braucht es schon große geistige Energie, alle Finanzkrisen des letzten Jahrzehntes so einfach auszublenden (oder zu leugnen).

    Und übrigens: die Amerikaner waren nie auf dem Mond. Wo sind die Gesteinsproben? Die Szene wurde in einem Filmstudio in London aufgenommen.

  3. Immerhin ist Bargeld abzuheben die einzige Möglickeit mein Bankengeld Euro in die Zentralbankgeld Euros umzutauschen oder können Sie ein Girokonto bei der Bundesbank oder EZB eröffnen? Manch einer ist sich nicht bewusst, dass wir hier trotz gleichen Währunssymbols über unterschiedliches Geld reden. Ein nicht ganz unerheblicher Vorteil sollte ein Bankensterben einsetzen und der oder die Staaten diesmal nicht in der Lage sein zu retten. Ich gehe fest davon aus, dass der deutsche Bankenrettungsfond im Notfall nicht reichen wird.

  4. Sehr interessanter Artikel zu diesem Thema. Vor allem sehr strukturiert geschrieben und informativ. Danke auch im Namen der übrigen Leser…

    Liebe Grüße
    aus der Pfalz

  5. Nach x Seiten, auf denen man nur Panikmache zum Thema Bargeldabschaffung begegnet, endlich mal ein Autor, der mit ein paar klären Gedanken die heiße Luft aus dem Ballon lässt. Übrig bleibt: die gefühlt tausendste Variation des Themas: das Volk wird von bösen Mächten betrogen.
    Danke für Ihren Artikel!

  6. Wenn man Bargeld dabei hat, wird der kauf definitiv funktionieren. Es braucht dafür keinerlei Technik oder Infrastruktur. Es geht analog. Wenn man jedoch abhängig von Technik ist und die mal ausfällt, dann ist man richtig arm dran. Stories von Leuten deren Karten streikten usw. gibt es genug. Wer sich absolut auf Digital verlässt und gar kein Backup als sichere zweite Option mehr will, dem kann man nur wünschen dass diese Naivität per Karma jener Person mal die Augen öffnet. Indem mal was zickt und es dann sehr unangenehm beim Bezahlvorgang wird…

    • Ich bin dafür, dass es so bleibt, wie es jetzt ist: beide Möglichkeiten. Meine Miete darf gerne weiterhin bargeldlos bezahlt werden, aber meine Sünden möchte ich gerne für mich behalten, was bedeutet, kaufen und mit Bargeld anonym bezahlen. Es gibt viele sehr private und intime Bereiche, in denen man gerne weiterhin, wenn man möchte, anonym bleiben kann. Es wird jetzt schon, so viel in unsere Leben rein geschaut,
      das Bargeld, und die Möglichkeit damit zu bezahlen, helfen wenigstens etwas, Privates und Intimes für sich zu behalten.

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