Wolfgang Bauer: »Eurobonds – eine Anleihe für alle?«

GASTKOMMENTAR

GASTKOMMENTAR | 2016 tendierten die Risikoaufschläge für Anleihen aus den Peripheriestaaten der Eurozone insgesamt nach oben, obgleich wesentlich weniger stark als 2011/12. Ob damit auch der Ruf nach Eurobonds wieder lauter wird, fragt sich Dr. Wolfgang Bauer, Anleihenexperte bei M&G Investments.

Von Wolfgang Bauer, M&G Investments

Der Aufschlag von 10-jährigen spanischen Staatsanleihen gegenüber 10-jährigen deutschen Staatsanleihen beträgt aktuell etwa 1,3 Prozent, was nah am Mittelwert der vergangenen zehn Jahre liegt. Die Renditedifferenz von 10-jährigen italienischen Anleihen liegt nur einen halben Prozentpunkt höher (1,8 %). In Portugal liegt der Spread aktuell bei 3,7 Prozent. Die Spreads beider Länder liegen höher als der Mittelwert der vergangenen zehn Jahre. Der griechische Renditeaufschlag gegenüber Bundesanleihen von 7,0 Prozent ist der höchste unter den Peripheriestaaten, liegt aber unterhalb des historischen Mittelwerts. Die Lage in Griechenland ist dieser Kennzahl nach zu urteilen also durchaus entspannt – ein Satz, den man nicht oft liest.

Einheitlicher Zinssatz – auf welchem Niveau?
Ein gemeinsamer 10-jährigen Eurobond ließe die Renditeaufschläge der Peripheriestaaten sofort verschwinden, aber welche Rendite könnten Anleger von den Eurobonds erwarten? Alle Länder der Eurozone, mit Ausnahme von Estland, haben Staatsanleihen im Umlauf. Demzufolge können wir als vernünftigen Ausgangspunkt gewichtete 10-jährige Durchschnittsrenditen berechnen. Hier haben wir zwei Gewichtungsfaktoren verwendet: BIP und Schuldenquote.

Die BIP-gewichtete Rendite berücksichtigt die Wirtschaftskraft der Länder und damit ihre Fähigkeit, Steuergelder einzusammeln und Schulden zu tilgen. Deutschland erhält aufgrund des hohen BIP eine hohe Gewichtung. In der Folge sinkt die durchschnittliche Rendite auf 1,2 Prozent, was in etwa dem Niveau der aktuellen 10-jährigen Rendite der Slowakei entspricht. Wäre dies die tatsächliche Rendite der Eurobonds, würden sich die Finanzierungskosten für Deutschland auf 10-Jahres-Basis in etwa verdreifachen, während die Renditen für Peripheriestaaten deutlich sinken würden.

Demgegenüber reflektiert die schuldengewichtete Rendite den Verschuldungsgrad sowie die Bonität der Länder. Aufgrund der hohen Schuldenlast ist die Gewichtung von Italien hoch und drückt den Durchschnitt auf 1,6 Prozent nach oben, was der aktuellen 10-jährigen Rendite von Malta entspricht und vier Mal so hoch ist wie die 10-jährige Rendite von Deutschland.

Zugegeben, die BIP- und schuldengewichteten Schätzungen sind für hypothetische Eurobond-Renditen zu hoch, da sie eine Weiterentwicklung der Markttiefe und Verbesserung der Liquidität außer Acht lassen. Die Schaffung einer Kategorie gemeinsamer Eurobonds würde den fragmentierten europäischen Staatsanleihenmarkt fundamental verändern und ihn deutlich stärker standardisieren. Vor allem kleinere Länder, deren nationale Rentenmärkte vielleicht von vielen Anlegern außer Acht gelassen wurden, würden in hohem Maße von der Partizipation an einem tiefen und liquiden Eurobond-Markt profitieren.

Eurobonds bleiben vorerst Zukunftsmusik
Die Probe aufs Exempel könnte jedenfalls noch lange auf sich warten lassen: Die Einführung von Eurobonds in naher Zukunft ist eher unwahrscheinlich. Abgesehen von dem potenziellen „Moral Hazard“, den eine Schuldenlast nach dem Gegenseitigkeitsprinzip erzeugen würde, und den möglichen Konflikten mit dem Lissabon-Vertrag gibt es erhebliche politische Hindernisse in Deutschland. CDU/CSU haben sich hier schon seit langem positioniert. Martin Schulz hat zwar in seiner Zeit als Präsident des Europäischen Parlaments die Idee von Eurobonds vertreten, doch als Kanzlerkandidat hat er das Thema nicht mehr angesprochen. Auch eine mögliche SPD-geführte Regierung dürfte dieses Thema also kaum vorantreiben.

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