Iain Lindsay: »Flexibilität als Schlüssel für Anleiheinvestments«

GASTKOMMENTAR

GASTKOMMENTAR | Worauf kommt es bei Anleihen an? Die Antwort von Iain Lindsay, Manager des GS Global Strategic Macro Bond Portfolios und Co-Head Global Portfolio Management im globalen Anleihe-Team bei Goldman Sachs Asset Management.

Von Iain Lindsay, Goldman Sachs Asset Management

Sind die Zinsen und Anleiherenditen so niedrig wie im aktuellen Umfeld, ist dies für Anleiheinvestments sehr interessant und attraktiv. Der Schlüssel für eine erfolgreiche Anleihestrategie besteht darin, extrem flexibel zu sein. Wir leben zurzeit in einer Welt, in der wohl einige Länder die Zinsen erhöhen und der Inflationsdruck teilweise anziehen wird. Das ist prinzipiell schlecht für Anleihen. Andererseits werden die Zinsen in anderen Teilen der Welt voraussichtlich sehr niedrig bleiben oder sogar sinken, was wiederum für Anleihen spricht.

Die Anleger sollten also globaler denken und ihre Investitionsbemühungen dabei auf jene Länder richten, die sich in eine solche Richtung entwickeln. Andere Regionen sollten eher gemieden werden. Für solch eine gezielte Anleiheauswahl sehen wir derzeit zahlreiche Optionen, doch wir dürfen dabei nicht die Inflationsentwicklung außer Acht lassen.

Uneinheitliche Inflationsentwicklung erfordert globalen Investmentansatz
Die aktuelle Inflationsentwicklung vollzieht sich recht langsam. Während Kapitalmärkte und insbesondere Anleiheanleger auf eine Inflation warten, bemühen sich die Notenbanken beharrlich, diese anzukurbeln. Erste Erfolge ihrer Anstrengungen zeichnen sich zwar gerade ab, doch von einem einheitlichen Bild sind wir immer noch weit entfernt. So zeigen die Inflationsindikatoren in den USA nach oben und auch in Großbritannien zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung ab. In Kontinentaleuropa hingegen bleibt der Preisauftrieb weiterhin sehr moderat.

Prinzipiell scheint es so, dass die Gesamtinflation relativ schnell ansteigen könnte, was aber irreführend ist. Wir halten die Aktien- und Anleiheanleger für klug genug, um diese Entwicklung nicht überzubewerten und sich stattdessen auf die Kerninflation zu konzentrieren. Diese befindet sich in Europa nach wie vor auf einem sehr niedrigen Niveau. Daher dürfte auch die Europäische Zentralbank ihren geldpolitischen Kurs vorerst kaum ändern und die Zinsen nicht erhöhen. In Asien hingegen kämpft Japan nach wie vor mit einem Inflationsproblem. Das Land muss sich dringend mit dieser Thematik auseinandersetzen und die Entwicklung eindämmen.

All dies belegt: Die Wiederbelebung der Inflation, also weg von Stagflation hin zu Reflation, gestaltet sich global gesehen uneinheitlich. Wir haben es mit einem monetären Flickenteppich zu tun, in dem auch protektionistische Maßnahmen in den Schwellenmärkten eine Rolle spielen werden.

Anpassungsfähigkeit spricht für Schwellenländer
Das Phänomen des zunehmenden Populismus, der sich gegen die fortschreitende Globalisierung wendet, wird auch 2017 ein großes Thema bleiben. Der damit zusammenhängende Protektionismus schürt bei vielen Anlegern die Sorge, inwieweit hiervon gerade die Exportmärkte der Schwellenländer betroffen sind – verfügen diese doch mittlerweile vielfach über klare Wettbewerbsvorteile. Unserer Ansicht nach würde sich ein Wandel zugunsten protektionistischer Wirtschaftspolitik nur sehr langsam und stückweit vollziehen. Und zwar so langsam, dass sich die Schwellenländer schnell genug anpassen können, um die potenziellen Auswirkungen des Protektionismus zu kompensieren. Dies ist in der Vergangenheit schon verschiedenen kleineren Ländern gelungen, die sich an veränderte globale Wirtschaftsbedingungen anpassen mussten.

Außerdem sind wir davon überzeugt, dass der globalisierungskritische Populismus den Industrieländern wahrscheinlich mehr schaden wird als ihren aufstrebenden Pendants. Auch dies spräche eher für die Schwellenländer, beziehungsweise Anleihen aus den Emerging Markets.

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