»Die Varta-Aktie ist zu teuer«

INTERVIEW

INTERVIEW | Börsenstratege Ulrich W. Hanke zum Börsengang der Varta AG, die Mikrobatterien und Energiespeicher herstellt und deren Aktie voraussichtlich am 2. Dezember 2016 erstmals gehandelt wird.

28.11.2016

Börsenstratege Hanke mit der alten Varta-Aktie
Börsenstratege Hanke mit der alten Varta-Aktie
Herr Hanke, mit der Varta AG geht kein unbekanntes Unternehmen an die Börse. Was halten Sie als Kapitalmarktstratege davon?
Ulrich W. Hanke: In der Tat ist die Varta AG kein junges Startup, sie hat allerdings auch nichts mit dem früheren Batteriehersteller gleichen Namens zu tun. Denn das Unternehmen wurde 2002 in die drei Bereiche Autobatterien, handelsübliche Batterien und Mikrobatterien aufgespalten und ging an neue Eigentümer über. An die Börse geht jetzt nur eine Varta AG, die Mikrobatterien und Energiespeicher produziert.

Die drei neuen Eigentümer teilen sich also die Marke Varta?
Ulrich W. Hanke: So ist es und das führt auch im Falle der Varta AG aus Ellwangen zu kuriosen Konstellationen. Das Unternehmen macht den Löwenanteil, 55 Prozent seines Umsatzes mit Mikrobatterien für Hörgeräte und ist stolz darauf, dafür mit Power One erfolgreich eine neue Marke eingeführt zu haben. Diese wurde allerdings aus der Not heraus geboren. Denn die Varta AG hat nicht die Markenrechte für Hörgerätebatterien. Die sollen laut einem Investor-Relations-Sprecher übrigens bei keinem der drei neuen Eigentümer liegen.

Führt das zu Problemen?
Ulrich W. Hanke: Im Falle der Hörgerätebatterien müssen Anleger wohl nicht mit bösen Überraschungen rechnen. Aber was wäre, wenn beispielsweise die Varta-Autobatterien oder die handelsüblichen Varta-Batterien ständig auslaufen oder explodieren würden. Auch wenn die Varta AG diese gar nicht herstellt, würde vermutlich ein großer Imageverlust drohen. Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Fall gering ist, gefällt mir die Teilung der Markenrechte nicht.

Was gefällt Ihnen denn an dem Unternehmen, was noch nicht?
Ulrich W. Hanke: Mir gefällt, dass man die rund 140 Millionen Euro, die man sich nach Abzug der Kosten für den Börsengang durch die Kapitalerhöhung einnimmt, unter anderem in eine neue Batteriefabrik investieren will. So haben auch die neuen Aktionäre etwas davon. Weniger gut gefällt mir das Totschlagargument Megatrends. Da sollten Anleger besonders hellhörig und sehr vorsichtig werden! Die Menschen werden immer älter, deshalb sind Hörgeräte und die passenden Batterien dazu ein Wachstumsmarkt. Die Technik wird immer kleiner und vernetzter, aber ohne Kabel, also sind Mikrobatterien etwa in Unterhaltungselektronik vor allem in Kopfhörern ein Wachstumsmarkt. Die Erneuerbaren Energien sind nicht aufzuhalten, also sind Energiespeicher ein Wachstumsmarkt. Das ist mir etwas zu viel Marketing-Maschinerie.

Wieso das denn? Klingt doch gut.
Ulrich W. Hanke: Man darf nicht vergessen, bei einem Börsengang wollen das Unternehmen, die alten Eigentümer und die Banken Geld machen. Hier werden keine Geschenke an Kleinanleger vergeben, wenngleich sich dieses Image durch die enormen Zeichnungsgewinne zu Neue-Markt-Zeiten wohl bei dem einen oder anderen eingebrannt hat. Entscheidend sind Umsatz und Gewinn des Unternehmens und vor allem der Preis zu dem die Aktien zu haben sind.

Und was ist von der Zeichnungsspanne von 9,00 bis 12,50 Euro zu halten?
Ulrich W. Hanke: Bei einem Ausgabepreis von 12,50 Euro wäre die Varta AG an der Börse 520 Millionen Euro wert. Geht man davon aus, dass das Unternehmen auch 2016 den Umsatz um 10,7 Prozent steigern kann, wie zuletzt, stünde dem Börsenwert ein Jahresumsatz von rund 216 Millionen Euro gegenüber. Das Kurs-Umsatz-Verhältnis läge demnach bei 2,4. Das ist viel zu hoch! Mit anderen Worten, die Aktie ist zu teuer. An dem Bild ändert sich auch grundliegend nichts, wenn man von einem Ausgabepreis von neun Euro ausgeht. Dann läge die Relation von Börsenwert zu Umsatz bei 1,9. Ein fairer Wert wäre 1,5. Kaufen würde ich nur darunter.

Also ist die Varta-Aktie zu teuer und kein Kauf?
Ulrich W. Hanke: Bei Varta selbst möchte man sich mit Sonova vergleichen. Das ist einer der führenden Hörgerätehersteller, nur fertigt das Unternehmen aus der Schweiz nun einmal die sündhaft teuren Geräte und nicht nur die Batterien, die es im Sechserpack für 3,99 Euro im Handel gibt. Wenngleich man für ein Hörgerät im Schnitt wohl etwa 35 Batterien im Jahr benötigt und der Bedarf an Geräten in den nächsten Jahren jährlich um fünf Prozent steigen soll, hinkt der Vergleich. Bei der Bewertung wird klar, warum man ihn trotzdem wählt: Die Sonova-Aktie hat ein Kurs-Umsatz-Verhältnis von 4,0 und ist damit etwa doppelt so teuer wie das Varta-Papier. Zur besseren Orientierung: Die Aktie von Johnson Controls, dem Unternehmen, welches die Autobatterie-Sparte von Varta geschluckt hat, hat ein Kurs-Umsatz-Verhältnis von 0,8. Trotz eventueller Nostalgie, Markentreue oder Lokalpatriotismus – die Varta-Aktie muss ein Anleger also jetzt nicht in seinem Depot haben. Die Aktie ist einfach zu teuer, auch wenn das Unternehmen in einem wachsenden Zukunftsmarkt tätig ist.

Vielen Dank für das Gespräch.
Ulrich W. Hanke: Gerne.

[Anmerkung der Redaktion: Die Varta AG hat den geplanten Börsengang mittlerweile überraschend abgesagt.]

2 Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.