»Der weite Weg in die geldpolitische Normalität«

GASTBEITRAG | Martin Moryson, Chefvolkswirt von Sal. Oppenheim, kommentiert die Geldpolitik der US-Notenbank Fed. Bis zum Ende des nächsten Jahres rechnet er mit insgesamt sechs Zinsschritten.

Von Martin Moryson/Sal. Oppenheim

martin-moryson-sal-oppenheim-gastkommentar Die US-Wirtschaft wächst bereits seit Längerem wieder mit Raten von deutlich über zwei Prozent. Die Arbeitslosenquote ist auf unter fünf Prozent gefallen und signalisiert damit wieder Vollbeschäftigung. Selbst die Inflationsraten bewegen sich langsam wieder in Richtung zwei Prozent. Trotz dieser Normalisierung ist die Notenbank davor zurückgeschreckt, ihren im Dezember eingeschlagenen Weg der Normalisierung der Geldpolitik fortzusetzen. Auch die US-Wirtschaft kann sich der Eintrübung des globalen Umfeldes nicht entziehen. Seit Anfang 2010 sind in den USA über 13 Millionen neue Jobs entstanden. Im gleichen Zeitraum sind die Stundenlöhne um rund zwei Prozent pro Jahr gestiegen. Beides zusammen hat zu einem sehr stabilen privaten Konsum geführt, der die US-Wirtschaft in den vergangenen Jahren getragen hat. Es spricht vieles dafür, dass dieses Muster auch in Zukunft erhalten bleibt.

Gleichwohl spricht vieles dafür, dass die Geldpolitik auf weitere Sicht sehr expansiv bleibt. Auf seiner jüngsten Sitzung hat der Offenmarkt-Ausschuss (FOMC) der US-Notenbank Fed die Leitzinsen unverändert gelassen. Dies war weithin auch erwartet worden. Allerdings deutet der FOMC darauf hin, dass die weiteren Leitzinserhöhungen später folgen werden, als noch im Dezember signalisiert. Die Gründe, die für diese zögerliche Haltung genannt werden, liegen vor allem in den trüberen Aussichten für die Weltwirtschaft und den daraus resultierenden Unsicherheiten an den Finanzmärkten. Diese Entwicklung ist schon seit Längerem zu beobachten: Die Fed orientiert sich nicht nur an ihrem dualen Mandat, sondern verweist zunehmend auf die Risiken, die aus globalen Entwicklungen und der Unsicherheit an den Finanzmärkten drohen. Hinzu kommt, dass die US-Wirtschaft aus Sicht der FOMC-Mitglieder auch perspektivisch einen etwas geringeren Leitzins erfordert. So gehen die meisten FOMC-Mitglieder davon aus, dass der langfristig neutrale Zins bei 3,25 Prozent liegt und nicht mehr bei 3,5 Prozent wie noch im Dezember. Noch lässt die Inflationsentwicklung der Fed diesen Spielraum: Die offizielle Inflationsrate liegt noch deutlich unter zwei Prozent, sodass die Fed die Zinsschraube noch nicht nach oben drehen muss. Andererseits erfordern weder die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt noch die stabile Kerninflationsrate weitere Unterstützung seitens der Notenbank. Das Umfeld für die Fed wird sich aber ändern, sobald die gute Arbeitsmarktentwicklung sich auch in stärker steigenden Löhnen niederschlägt und die Basiseffekte bei der Inflationsrate auslaufen. Wenn die Fed nicht zu einem späteren Zeitpunkt gezwungen sein will, ihre Politik plötzlich zu ändern, wird sie bereits vorher handeln wollen. Daher gehen wir davon aus, dass die Fed in diesem Jahr noch zwei Zinserhöhungen vornehmen wird – eine im Juni und eine gegen Ende des Jahres. 2017 rechnen wir – ausgehend von der aktuellen Konjunktureinschätzung – mit vier Zinsschritten.

Unsere Tops of the Dow finden Sie unter:
https://download.boersianer.info/boersianer-info-52-19032016.pdf



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Foto: Sal. Oppenheim

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