»Der Industriesektor ist von Deflation betroffen«

GASTKOMMENTAR | War die Zinserhöhung der US-Notenbank Fed die richtige Entscheidung und wird es noch weitere geldpolitische Maßnahmen geben, fragt sich Gastkommentator Ariel Bezalel, Fondsmanager bei Jupiter AM.

Von Ariel Bezalel, Jupiter AM

ariel-bezalel-jupiter-am-47 Geldpolitische Maßnahmen wirken immer mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung. Es wird daher noch einige Monate dauern, ehe wir die Auswirkungen der Zinserhöhung der Fed auf die US-Wirtschaft richtig beurteilen können. Eine Reihe von Frühindikatoren signalisiert uns jedoch, dass die Erholung der US-Wirtschaft nicht so stabil ist, wie allgemein angenommen wird. So hat sich der aus den Evercore ISI Company Surveys abgeleitete wöchentliche Stimmungsindikator amerikanischer Unternehmen in diesem Jahr abgeschwächt und bewegt sich derzeit bei 45 Zählern, was auf ein stetiges, aber kein spektakuläres Produktionsniveau hindeutet. Auch das Echtzeitprognosemodell der Federal Reserve Bank von Atlanta hat für das vierte Quartal ein zugrunde liegendes Wirtschaftswachstum errechnet, das mit 1,9 Prozent annualisiert gerade einmal dem entspricht, was vielfach als neue normale US-Wachstumsrate im Bereich zwischen 1,5 und zwei Prozent angesehen wird.



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Noch beunruhigender ist aber, dass sich die Abschwächung des Welthandels mittlerweile im US-Fertigungssektor bemerkbar zu machen scheint. Die Weltwirtschaft leidet unter einem akuten Überangebot, von dem nicht nur der Rohstoff-, sondern auch eine ganze Reihe anderer Sektoren betroffen sind. Bei der US-Industrieproduktion können wir mittlerweile beobachten, dass sie langsam zurückfällt. In der Vergangenheit hat die Fed immer erst dann Zinserhöhungen eingeleitet, wenn der ISM-Einkaufsmanagerindex (PMI) für das verarbeitende Gewerbe im mittleren 50-Punkte-Bereich notierte. Aktuell liegt er aber im hohen 40er-Bereich. Die einzige Ausnahme war Anfang der 1980er-Jahre, als die US-Wirtschaft unter einer Stagflation litt. Damals bewegte sich der Fertigungs-PMI im niedrigen 40er-Bereich, während die Komponente für gezahlte Preise am oberen Ende der 80er-Spanne notierte. Letzterer befindet sich zurzeit bei 35 Zählern und signalisiert damit, dass der Industriesektor von Deflation betroffen ist. Aufgrund der schwächeren Zahlen aus dem Industriesektor halten wir es für unwahrscheinlich, dass dieser erste Zinsschritt der Fed den Beginn eines längeren Straffungszyklus markiert. Einige Ökonomen argumentieren dahingehend, dass der Fertigungssektor einen relativ kleinen Wirtschaftssektor in den USA darstellt und deshalb kaum Anlass zur Sorge besteht. Dies war jedoch auch schon 2008 der Fall, als sich die Schwäche in der Industrie dann doch noch auf den größeren Dienstleistungssektor ausbreitete.

Da das Wachstum in der übrigen Welt an Fahrt verliert, besteht aus unserer Sicht eine echte Gefahr, dass es bei der einen Zinserhöhung der Fed bleiben wird. Der Spielraum der Notenbanker für eine Normalisierung ihrer Geldpolitik wird langfristig durch starke Deflationskräfte eingeengt. Hinzu kommen die Bevölkerungsalterung, hohe Schuldenstände sowie disruptive Technologien und Robotertechnik. Dies ist ein Grund dafür, warum wir eine im Vergleich zur Mehrheit relativ hohe Duration von über fünf Jahren in unserem Fonds bevorzugen.


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Foto: Jupiter AM

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